Bedeutung für die Museumsbesucher

Im Augenblick des Schauens im Museum erfährt sich der Besucher als Subjekt, er wird vom einzelnen Werk überrascht, angezogen und wieder frei gelassen oder gegebenenfalls gelangweilt. Boris Groys beschreibt den dabei eröffneten Zugang zur eigenen Subjektivität als „das eigentliche Kunstprodukt“, das sich im „Akt des reinen Schauens – nicht in der Zeit, sondern im Augenblick“ im musealen Raum ereignet (Groys 1999). eMotion macht diese performativen Augenblicke der „Kunstwerdung“ sichtbar: eMotion zeigt den Rezeptionsprozess als einen schöpferischen Vorgang, visualisiert werden die Anziehungs- und Abstoßungsmomente, also das Erleben im Kraftfeld Museum selbst.

Aspekte des Unbewussten während der Kunstbetrachtung werden in der Installation in einer virtuellen Welt sichtbar gemacht und dadurch das Bewusstsein des Beobachters verändert. Die motorischen, mentalen und emotionalen Aktivitäten beeinflussen dabei die Gestalt der künstlerischen Arbeit. Wenn man Kunstrezeption als einen Prozess versteht, bei dem die Möglichkeit von Selbsterkenntnis erwächst, entsteht durch das Feedback für aktive Besuchende ein konkreter Mehrwert. Durch die Rückmeldung wird die Reflexion unterstützt, und die Besucher erhalten die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit gegenüber ihrem eigenen Erleben und der Wirkung von Kunst zu schärfen. In der Installation wird die Repräsentation trotz der wissenschaftlich-künstlerischen Abstraktion der Subjektivität des Individuums gerecht.

Bedeutung für die Wissenschaft

Zusätzlich zu den Ergebnissen der künstlerischen Forschung, die in der Installation sicht- und hörbar gemacht werden, werden die Daten wissenschaftlich ausgewertet. Auf dieser wissenschaftlichen Ebene geht es um kunsttheoretische, kunstsoziologische und kunstpsychologische Erkenntnisse zur Kunstrezeption und der Wirkung des Museums.

Das in der Datenbank während des Projektes gesammelte Datenmaterial (der gegangene Weg, die Verweildauern, das Gefühlsverhalten und die Daten der Umfrage) wird dazu ausgewertet. Diese Untersuchung gibt der empirisch-sozialwissenschaftlichen Besucherforschung die einmalige Chance, mehrere Fragen bzw. Hypothesen insbesondere der letzten zwanzig Jahre zu überprüfen. Insbesondere bietet der interdisziplinäre Ansatz die Möglichkeit, eher “behavioristische” und eher “konstruktivistische” Modelle der Besucherforschung miteinander zu vergleichen und zu verbinden. Die aktivere Rolle des Kunstrezipienten wird heute durch die ‘konstruktivistische’ Wende in der Analyse des Museumserlebnisses und der Museumserfahrung betont (vgl. Hein/Miles-Debatte). Allerdings wird bei dieser Diskussion wiederum die unmittelbare Wirkung der Kunst auf den Rezipienten nun fast völlig vernachlässigt. Hier ermöglicht diese umfangreiche Experimental- und Feldanordnung des Projektes eMotion, die eher psychologisch-experimentalen mit den eher soziologisch-strukturellen Vorstellungen zu versöhnen. Die Resultate dieser multidisziplinären und multimethodischen Studie können zu einer ganzheitlichen Darstellung der Wechselwirkungen von Kunst und Rezipienten führen, die sowohl Relationen zwischen Exponat und Rezipient wie auch zwischen Rezipient und sozialen Kontexten (Erfahrungen, Erwartungen und andere Kontextvariablen) umfassen. Damit würde die Rezeptions- und die Besucherforschung ihre disziplinären Ghettos verlassen und artifizielle disziplinäre (psychologische vs. soziologische) Grenzen der Betrachtung dieses Forschungsthemas verlassen.

Bedeutung für die Praxis

Die Erkenntnisse, die durch das Medienkunstprojekt generiert werden, sind auf der museumspraktischen Ebene für Kuratoren und Museumspädagogen, Kunstwissenschaftler und Kulturmanager gleichermaßen von hoher Relevanz. Wir erwarten aus der Testreihe in Museen, den verschiedenen Messanordnungen und den empirischen Erhebungen ein umfangreiches Datenmaterial, das von den Beteiligten ausgewertet wird. Fragen, die aus dessen Auswertung beantwortet werden können, sind bspw.:

  • Wie hängen allgemeine soziodemographische Merkmale, Wissen über Kunst,  praktische Kunstausübung, Häufigkeit der Museumsbesuche etc. mit dem Besucherverhalten und den Einschätzungen der Werke und der Ausstellung durch die Besucher zusammen?
  • Welchen Einfluss haben kuratorische Arrangements auf den Rezeptionsprozess?  Welchen Einfluss hat die Art der Hängung auf den Rezeptionsprozess?
  • Welchen Einfluss haben Informationen zu den Werken auf den Rezeptionsprozess?
  • Wie korreliert der Erfahrungshintergrund mit dem Rezeptionsprozess? Wie die Erwartungshaltung mit dem Rezeptionsprozess?
  • Welche Muster bezüglich Verweildauer, Gehgeschwindigkeit, Raumverhalten lassen sich bei den Bewegungs-/ Rezeptionsprofilen erkennen? Gibt es bestimmte Besuchertypen etc. 
     

Die Beantwortung dieser Fragestellungen zur Rezeptionsästhetik finden sich in den jeweiligen wissenschaftlichen Beiträgen wieder, sie werden zudem auf unterschiedlichen Veranstaltungen vorgestellt und diskutiert.