eMotion kombiniert verschiedene wissenschaftliche und künstlerische Forschungsmethoden in einer transdisziplinären Herangehensweise. Dies sind:

Psychogeografie

Mit der Wirkung der Umgebung auf Individuen und Gruppen beschäftigt sich die Psychogeografie. Sie fragt danach, wie die bewusst oder unbewusst geschaffene geografische Umwelt das Empfinden beeinflusst und Bewusstseinszustände auslöst. Bei der Entwicklung des psychogeografischen Ansatzes richtet deren Begründer, Guy Debord, die Aufmerksamkeit weniger auf ein Interpretieren des Raumes – wie dies noch bei der Idee des Flaneurs gemäß Walter Benjamin der Fall ist -, als vielmehr auf die (Selbst-)Erfahrung während des Beobachtens. Debord geht es um die exakte Untersuchung der Wirkung des geografischen, architektonischen Raums auf das Gefühlsleben und das Bewusstsein des Individuums.

Die Psychogeografie hat insbesondere in der Architekturtheorie, der Architekturpsychologie, der Urbanistik, der Soziologie und in den Kulturwissenschaften Resonanz gefunden. Strategien wie das „Dérive“, eine Form von räumlicher und abstrakter Untersuchung der Stadt durch Umherschweifen, erfreuen sich in der Architekturtheorie weiterhin großer Aktualität.

Das Kunstforschungsprojekt eMotion knüpft methodisch an die psychogeografischen Überlegungen an, verlegt jedoch den Fokus vom öffentlichen Außen- auf den musealen Innenraum, um das Museum und seine Exponate in ihrer Wirkung zu untersuchen. Das Museum als inszenierter Ort ist per se durch seine Architektur, die Raumgestaltung, die Werke und ihre Hängung/Anordnung etc. psychogeografisch aufgeladen. Die Besucher setzen sich diesen Räumen und ihren Objekten, dem „musealen Kraftfeld“ aus, um deren Wirkung zu erleben. 

Die psychogeografische Untersuchungspraxis „dérive“, als performativer Moment der Rezeption, kann als eine typische Verhaltensweise der Museumsbesucher beschrieben werden, bei der sich der „individuelle Prozess der Kunstwerdung“ ereignet (Boris Groys). Dabei wirken auf den Besucher beim Rundgang nicht nur die einzelnen Werke, sondern auch die Art und Weise ihrer Präsentation und die Wahl des Kontextes.

Mit den neuen technischen Möglichkeiten des Tracking (dt. verfolgen/nachführen), wie sie bspw. auch in der Konsumentenforschung eingesetzt werden, eröffnen sich für die Museumsforschung weitere Möglichkeiten zum Verständnis des psychogeografischen Terrains Museum. Tracking dient der Verfolgung von (bewegten) Objekten, um Informationen über den Verlauf der Bewegung und die Position des Objektes zu erhalten. Durch die erweiterten Möglichkeiten neuer Techniken wie tracking, tracing, mapping, network analysis etc. erfährt der psychogeografische Ansatz seit Mitte der 1990er Jahre in der Medienkunst vermehrt Anwendung.

Konkret: Die Besucher des Museums wurden beim Kauf der Eintrittskarte gefragt, ob sie an dem Kunstforschungsprojekt teilnehmen wollten. Diejenigen die der Teilnahme am Projekt zustimmten, die aktiven Besucher, bekamen mit ihrer Eintrittskarte einen Datenhandschuh, den sie während des Rundganges trugen. In den Ausstellungsräumen bewegen sie sich frei. Mithilfe des Datenhandschuhs wurde das Raumverhalten (Wegenetz, Verweildauer, Gehgeschwindigkeit) der Besucher exakt aufgezeichnet. Zudem wurde die Herzrate als auch die Hautleitfähigkeit kontinuierlich erhoben. Empfangen werden die Daten von den dafür in den Museumsräumen installierten Geräten.

Sozialwissenschaftliche Erhebungen

Die zentrale Messweise des Projektes eMotion wird durch die  psychogeografische Methodik gekennzeichnet. Ausstellungsinterne Gestaltungen werden hierbei als wichtig für die Formung des emotionalen, affektiven und kognitiven Erlebnisses der Ausstellungsrezeption erachtet. 

Es gibt zum einen die Ebene des „behavioristischen“ Wahrnehmens des Kunstwerkes, darüber hinaus den „konstruktivistischen“ Rahmen in der soziologisch erfassbaren Biografie des Besuchers, die diese Rezeption prägt, sowie die aktiven Musterbildungsprozesse, die im Moment der Kunstwahrnehmung im Beobachter selbstorganisatorisch ablaufen. Die psychologisch-kognitiven Musterbildungsprozesse werden dabei durch den individuellen Erfahrungshintergrund des Bobachters in bestimmte Bahnen gelenkt. Die Komplementierung  des psychogeografischen Ansatzes durch die sozialwissenschaftlich- konstruktivistischen und die psychologisch- kognitiven Ansätze ist sinnvoll, um multidimensional Relationen zwischen Exponat, Rezipient und Ausstellungskontext durch wichtige weitere Faktoren (Erfahrungen, Erwartungen und andere Lebensstil- und Wert-Kontexte) in der Analyse der individuellen Ausstellungserfahrung berücksichtigen zu können.